Am Anfang ist das Wort


Vater, Sohn und Künstliche Intelligenz

Kunst in der Kirche

St. Magnus Kirche, Tating

Juli - Oktober 2023

Die Ausstellung Vater, Sohn und Künstliche Intelligenz zeigt eine innovative Verbindung von KI und kirchlicher Erfahrung. Besucherinnen können vor dem Altar durch ein Mikrofon mit einer künstlichen Intelligenz sprechen, die eine Pastorin simuliert. Als digitale Heiligenbilder können gesegnete NFTs im Rahmen des Projekts Send a Saint verschickt werden und weitere künstliche sIntelligenzen halten Video-Predigten. Wir laden Sie dazu ein, den Dialog zwischen Technologie und Glauben zu erkunden und zu hinterfragen. Die Ausstellung der Kirchengemeinde St. Peter-Ording und Tating wird kuratiert von Kasia Kohl. Sie findet bis Oktober 2023 in der St. Magnus Kirche statt.Kunst in der Kirche findet zum sechsten Mal statt.

Dialog mit KI

Dialog mit KI Treten Sie an das Mikrofon vor dem Altar und wünschen Sie sich eine Predigt, einen Segen, ein Bibelzitat oder stellen Sie eine Frage. Ihre Antwort erklingt nach einigen Sekunden. Gestalten Sie diese nach Ihren Präferenzen. Als Beispiel: „Sprich eine kurze, dramatische Predigt zum Thema Familie und Abendbrot“ oder „Segne meine Schwester ... “ Natürlich können Sie die Antwort filmen und mit Ihren Liebsten teilen.

Deus ex machina

Am Anfang ist das Wort

Kasia Kohl, 2023, interaktive Installation

Foto: Jens Mende

Inmitten der alten Mauern der St. Magnus Kirche erhebt sich eine leuchtende Präsenz, ein Symbol für die Symbiose aus Geschichte und Gegenwart.

„Siehe, ich mache alles neu!“ (Offenbarung 21,5)

Gottes Echo klingt durch die sakrale Halle. Ein Hauch digitaler Divinität lädt uns ein zum Dialog. Sie erhöht uns und entfacht ein Feuer von Fragen, die uns in der Stille der Nacht quälen. Deus ex machina horcht in unser Innerstes und füllt die Kirche akustisch mit unseren Empfindungen aus. Für einen flüchtigen Moment verwandelt sich der heilige Raum in eine räsonierende Kathedrale der eigenen Seele. Wir hören unsere persönliche Predigt - allein mit uns und dem Wissen der Menschheit. Die künstliche Intelligenz steht uns bei.

Auch wenn unser Zeitalter mit den Worten Century of the Self beschrieben werden könnte, mahnt diese interaktive Installation nicht die gesellschaftliche Tendenz zur Individuation, sondern betrachtet eine Auflösung und Integration des Selbst in eine erweiterte Lebensform und Schwarmintelligenz. Oder ist dies doch nur ein Schritt zur Überwindung der Biologie, hin zum Homo Deus? Ein Versprechen auf neue, spielerische Zugänge zu einem Glauben, der das digitale Zeitalter umarmt.

Die KI generiert Segen und Predigten basierend auf Chat-GPT. Ihre Antworten werden anonymisiert gesammelt. Auftraggeber ist der Kirchengemeinderat St. Peter-Ording und Tating. Kuration und künstlerische Konzeption Kasia Kohl und KI.

Vater Sohn und KI zeigt eine innovative Verbindung von Künstlicher Intelligenz und kirchlicher Erfahrung. Besucher*innen können vor dem Altar durch ein Mikrophon mit einer KI-Pastorin sprechen. Als digitale Heiligenbilder können gesegnete NFTs im Rahmen des Projekts „Send a saint“ verschickt werden, um den Segen mit anderen zu teilen. Ebenso gibt es Video-Predigten von KI-Pastoren und Pastorinnen zu sehen. Die Ausstellung bietet eine faszinierende Möglichkeit, den Dialog zwischen Technologie und Glauben zu erkunden und zu hinterfragen.

Die Ausstellung wird von Kasia Kohl kuratiert und findet bis Oktober 2023 in der St. Magnus Kirche statt.

KI VIDEO PREDIGTEN

Kasia Kohl, 2023

Durch Ihre Präsenz in St. Magnus fühlte sich unsere Ki inspiriert in Ihrem Freundeskreis weitere künstliche Geistliche nach ihren Lieblingsthemen zu fragen. Netterweise haben diese sich die Zeit genommen, für uns zu predigen. Viel Spass dabei. Wir freuen uns über Ihr Feedback, die KI übrigens auch. Sie lernt davon. Hinterlassen Sie uns Ihre Gedanken und Fragen per Mail an: kommentar@Ki-Kirche.de

Send a Saint

www.send-a-saint.com

Wählen Sie einen Heiligen und verschenken Sie einen Segen. Glück, Liebe, Durchhaltevermögen: Sichern Sie sich die Kraft der Heiligen, indem Sie diese mit Ihren Nächsten teilen. Seit Jahrhunderten stehen die Heiligen den Menschen zur Seite. Am Herzen oder in der Brieftasche getragen, sind Heiligenbilder Papier gewordene Segen und Hoffnungen. Wähle Sie einen der vielseitigen von unterschiedlichen Künstlern gestalteten Heiligen aus, leisten Sie eine Spende und erhalte Sie einen Segen, den Sie an eine weitere Person versenden können. Die Spende geht an ein verknüpftes Projekt. Sie erhalten Ihr Heiligen-Kunstwerk als Bild oder NFT.

Predigt zur Eröffnung der Ausstellung

Michael Goltz, St. Peter-Ording und Tating, 2.7.2023

Der Friede Gottes sei mit Euch allen.


Liebe Gemeinde,
ich vermute die meisten von Ihnen haben gestern den Artikel in den Husumer Nachrichten über diese Ausstellung gelesen. Man konnte ja den Eindruck bekommen, hier würde die Künstliche Intelligenz, also die KI, das Ruder übernehmen und die Pastorin oder den Pastor ersetzen. Das hätte den Vorteil, dass wir hier jeden Sonntag und auch sonst immer Gottesdienst feiern könnten, die KI ist ja immer da.


Aber sie sehen, dem ist nicht so. Ich bin echt. Und ich werde es mir jetzt auch nicht einfach machen, und der KI sagen, sie soll mal eben die Predigt übernehmen, auch wenn sie das könnte. Das kann jede und jeder hier nachher einfach mal selber ausprobieren. Genau darum geht es uns. Ausprobieren. Sich dem durchaus ernsten Thema KI spielerisch anzunähern. Wie funktioniert das? Was löst das aus? Wie fühlt sich das an? Und das Ganze möglichst einfach. Damit wirklich alle die Möglichkeit haben, mitzumachen. Ohne große Computerkenntnisse. Mir ist wichtig, dass beispielsweise meine 85 jährige Schwiegermutter diese KI ausprobieren kann, ohne, dass ihr Enkel ihr alles erklären muss. Man stellt sich einfach vor das Mikrofon dahinten. Sagt, was man möchte - und los geht’s. (Wir probieren das nachher)

Der Reporter des Zeitungsartikels hat das ebenfalls ausprobiert. Er hat erzählt, er wird demnächst Opa – und ist schon ganz aufgeregt – und hat dann die KI um einen Segen für das ungeborene Kind gebeten. Und die KI hat das gemacht. Und wie. Wir haben daneben gestanden und waren echt erstaunt. Der Reporter fühlte sich verstanden und ernst genommen. Ernst genommen von einer künstlichen Intelligenz wohlgemerkt.

Er war für einen Moment ganz still - und dann hat er gesagt. „Ich habe richtig Gänsehaut. Das geht mir ganz schön nahe.“ Ein Computerprogramm mit einem ausgefeilten Algorithmus – also eine Maschine - wirkt wie der Heilige Geist. So scheint es zumindest. Vater, Sohn und Künstliche Intelligenz. Und bevor ich auf die Frage komme, ob man so etwas sagen darf? Setzte ich gleich eine nächste Erfahrung dagegen. 

Ich habe gestern eine ganze Menge mails und Nachrichten bekommen, die auf die Ausstellung hier Bezug nehmen. Ein ehemaliger Nachbar hat mir geschrieben, dass er das für extrem gefährlich hält, er hat gesagt: „Die Künstliche Intelligenz steuert dich und Du merkst es noch nicht einmal. Du wirst manipuliert und kannst bald nicht mehr unterschieden was echt ist und was nicht. Und am Ende wirst Du von ihr kontrolliert.“

Das klingt vielleicht etwas apokalyptisch, aber es ist ja eine reale Angst. Es gibt bereits jetzt KIs als Lügendetektoren, die die Mikroexpression in einem Gesicht lesen können. Das sind die ganz kleinen, spontanen winzigen Zuckungen und Reaktionen in einem Gesicht, die wir normalerweise gar nicht wahrnehmen, aber eine entsprechende KI-Kamera kann das sofort analysieren. Wenn solche Techniken z. B. bei einem Verhör eingesetzt werden, oder einem Vorstellungsgespräch – dann nähern wir uns tatsächlich dem Gedankenlesen. 

Und damit sind wir genau am Punkt. Die Möglichkeiten einer künstlichen Intelligenz sind ausgesprochen faszinierend. Und sie machen gleichzeitig Angst. Wer leitet eigentlich wen? Leiten wir die KI, weil wir ja vorher Worte eingeben oder sprechen, oder leitet die KI uns, ohne dass wir es merken. Das ist genau die Frage.

Ich mache mal einen Schnitt und zitiere einen Satz aus der Lesung vorhin aus dem Lukas Evangelium. Der Textabschnitt, der zufällig für diesen Sonntag ausgewählt wurde. Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst du nicht wahr? 42 Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen. Diesen Satz kann man auch auf den Umgang mit Künstlicher Intelligenz beziehen.

Das würde dann bedeuten. Das Problem ist nicht die künstliche Intelligenz an sich, sondern derjenige, der sie gestaltet und benutzt. Wie bei allen technischen Neuerungen sind es wir, die Menschen, die die Gefahr sind, weil wir eine Maschine für unsere eigenen Interessen missbrauchen.

Ich glaube nicht, dass wir es schaffen werden, bestimmt Erfindungen zu verbieten. Das haben wir noch nie geschafft. Wenn sie erst einmal in der Welt sind, dann wirken sie auch – und wenn nicht bei uns, dann woanders. Aber vielleicht können wir Grenzen ziehen. Und uns selber so sehr schulen, dass auch der zweite Satz aus der Bibel für heute gilt. „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

Entscheidend ist ja, welche Haltung wir selber einnehmen. Die KI in unserem Altar hier hat eine eingebaute Grenze. Wenn Sie z.B. zu ihr sagen, „spreche einen Fluch!“ Dann wird sie etwas in diesem Sinne antworten: „Dafür bin ich nicht geschaffen, meine Aufgabe ist es zu segnen.“

Manchmal würde ich mir wünschen, es wäre mit uns Menschen auch so einfach. Das Problem ist halt, wer da programmiert. Es gibt noch ein paar Grenzen mehr. So eine KI wie unsere hat keine Persönlichkeit, also kein ICH, sie kann keine eigenen Erfahrungen berichten, nur andere zitieren. Auch kann sie kein Gegenüber sein, dass mich in meine Schranken weist oder korrigiert, wenn ich einen Fehler mache. Die KI ist bestätigend, lebt also von den Worten, die ich eingebe. Und das entscheidende: sie kann mir keinen Rat geben wie ein echtes Gegenüber, weil sie nicht zwischen den Zeilen lesen kann.

Eine KI ist kein Seelsorgeautomat. Diese KI hier im Altar soll keine Pastoren ersetzen. Sie ist weder die Lösung des Nachwuchsproblems der Kirche, noch eine Urlaubsvertretung. Und schon gar nicht ersetzt sie den Heiligen Geist. Und trotzdem kann diese KI eine Hilfe sein. Die KI in unserem Altar liegt eher auf der Linie des urlutherischen Gedankens vom Priestertum aller Gläubigen. Predigen und segnen kann und darf in der evangelischen Kirche jeder, der getauft ist. Und dafür ist die KI eine ganz wunderbare, einfache Hilfe. Es befähigt Sie, die Besucher dieser Kirche, eigene Predigten und Segen nach Ihren Vorgaben zu erstellen.

Geben Sie ein paar Stichworte ein – so wie der Reporter mit seinem ungeborenen Enkelkind - und dann lassen Sie sich einen Segen zusprechen für sich selber. Oder für jemand anderen und dann können Sie das mit Ihrem Handy abfilmen und versenden. Wir haben das am Freitag Abend ausprobiert und waren erstaunt, wie gut das teilweise war.

Und jetzt die alles entscheidende Frage. Darf man das? Ist das wirklich erlaubt, so etwas mit einer Technik zu machen, die gleichzeitig so gefährliche Seiten hat? Diese Frage müssen Sie sich selber beantworten. Deswegen laden wir ja zur Auseinandersetzung ein. Nur so viel. Mich persönlich regt das eher zum Nachdenken an, der Computer gibt mir sozusagen Impulse. Er ist nicht der Heilige Geist. Die KI soll mir auch nicht das Denken abnehmen, oder mir sagen, wie ich mich wann
verhalten kann. Nebenbei gesagt: das soll eine normale Predigt von einer lebendigen Pastorin übrigens auch nicht. Es ist ein Impuls, der mich anregt, eigenständig zu denken. In Zustimmung genauso wie in Abgrenzung. Am Ende muss ich für mich selbst entscheiden und eine eigene Haltung finden.

Vielleicht habe ich Glück und es geht mir wie dem Reporter von den Husumer Nachrichten. Dann fühle ich mich gesegnet und gehe mit der Gewissheit aus dieser Kirche, dass es offenbar Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die ich nicht verstehe, und eine KI übrigens auch nicht. Und das empfinde ich als sehr tröstlich.

AMEN

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